Donnerstag, 30. Juni 2011

My longest Day

Ok, wie versprochen holte mich mein Guide im "Casa Condor" ab, und wir fuhren mit dem 4x4-Jeep in den Chimborazo-Nationalpark und hoch zum ersten Refugio (in 4800m Höhe über NN). Dort gab es dann kurz vor 12 auch schon Mittagessen und wir haben die Ausrüstung sortiert. Alles was nicht für die eine Nacht bzw. für den Aufstieg gebraucht wird, bleibt im Auto. Und es blieb viel im Auto. Und es blieb noch viel mehr zum Schleppen zum zweiten Refugio (5000m Höhe über NN). Allein der Schlafsack (den ich ja schon lieben gelernt habe) wiegt wohl seine 5kg und macht meinen 65l-Rucksack halbvoll. Aber gut. Sind ja nur 200 Höhenmeter :-)
Angekommen, wurde mir ein Bett in einem 20-Mann-Schlafsaal zugeteilt. Ich sollte der einzige bleiben ... Aber es gab ja auch noch andere Schlafsäle, wie sich herausstellte, waren nämlich noch 2 Briten und ein Australier mit von der Partie (eine Dreiergruppe mit 2 Guides). Wir haben uns gut unterhalten, die beiden Briten, ein Pärchen, sind nämlich auf Weltreise, insgesamt 18 Monate! Gibt reichlich Gesprächsstoff... Und dann gabs auch schon Abendessen um 16.30h (die Guides kochten Gutes (Pasta) aus den Sachen, die wir alle hochgeschleppt haben).



Rucksäcke vorbereitet, und es ging ins Bett um 18h. Schließlich - auf besonderen Wunsch der Britin, die in weiser Voraussicht lieber eine Stunde länger Aufstieg einplanen wollte - wurde alles um über eine Stunde vorverlegt, und wir haben schon um 22h gefrühstückt. Um 23h sind wir dann in Vollmontur bei bestem Wetter (sternenklar und windlos) losgestiefelt. Und der Luxus bei Vollmond ist, dass man die Stirnlampe nicht benötigt :-)



Und dann nahm der wohl längste Tag meines Lebens seinen Anfang. Ging es anfangs noch einigermaßen sachte über Steinfelder, begann doch alsbald auch eine ordentliche Steigung. Nach ca. 1h war es dann auch an der Zeit die Steigeisen umzuschnallen, alle noch mit einem Grinsen im Gesicht, soweit ich das überblicken konnte. Wir stiegen im Zickzack hoch bis zu einem Grat (wohl auf ungefähr 5500m Höhe), ab dessen Ende dann der eigentliche Gletscher beginnt. Und dieses Schneefeld zieht sich ewig hin. Es ist psychologisch schon eine gewissen Schwierigkeit zu sehen, dass man dem Ziel einfach nicht näher kommt. Stellenweise sieht die Umgebung nämlich nach einer Stunde durch den (zum Glück sehr harten) Schnee Wandern völlig unverändert aus. Und es dauert ungefähr 4h, dieses Schneefeld. Dabei lief ich die ganze Zeit hinter meinem Guide hinterher, dabei war ich durch einen Klettergurt mit ihm fest verzurrt, so dass er mich im Notfall halten konnte. Die beiden Briten waren mit einem Guide verzurrt, und der Australier auch mit einem eigenen. Jeweils im Abstand von ungefähr 2-5min. Mit uns vorneweg :-)
Oben angekommen allerdings haben mich recht pünktlich die Kräfte verlassen. Wir waren zwar "erst" auf dem Gipfel Veintimilla (6270m, ca. 6h - bei Sonnenaufgang!), aber ich hatte nicht das Gefühl und nur ein sehr unterdrücktes Bedürfnis, den zweiten, eigentlich höchsten Gipfel (Whymper, 6310m) zu besteigen. Aber mein Guide, wohl voller Freude über den Wetterglücksgriff hatte mich nur gefühlte 2min den ersten Gipfel genießen lassen und lief einfach weiter. Und er sagte in unmissverständlichem Spanisch: "folge mir, sind nur 20min". Und er lief einfach los. Einfach so. Blieb mir ja nichts anderes übrig, als zu folgen. Auch wenn ich zwischendurch immer mal wieder pausieren musste - es hat sich gelohnt (siehe Fotos, bitte aber nicht genau ins Gesicht schauen ;-)) Da weiß man dann wirklich, warum hat man das ganze eigentlich auf sich genommen. Und man beglückwünscht sich gegenseitig, dass man es geschafft hat.




Der Australier hat übrigens "nur" den ersten Gipfel bestiegen, und drehte mit seinem Guide dann um, weil er Magen- und Rückenprobleme bekam. Die beiden Briten sind im Abstand von ca. 10min unserer Exkursion zum Whympergipfel gefolgt. Aber sie haben mich eingeholt auf dem Rückweg zum Veintimilla-Gipfel, so langsam war ich zu diesem Zeitpunkt. Ehrlichgesagt habe ich gar nicht so recht eine reale Chance gesehen in diesem Zustand heile irgendwie wieder nach unten zu kommen. Aber da gibts dann einen Trick, wo ich nicht dachte, dass er so gut funktioniert. Schokolade, ordentlich viel richtige (übrigens Nestle, wie so viel hier) Schokolade! Habe über 100g gegessen, und (da ich selbst schlecht geplant hatte und bei meiner Trinkplanung vor lauter Gier wohl den Rückweg außer Acht gelassen habe) mir dann bei den beiden Briten etwas Kokatee geschlaucht. Das hilft.
Leider ließ mich Patricio (mein Guide) nicht das energietechnisch wohl effizientere bergab auf dem Schnee "Schlittern" praktizieren (soweit das mit Steigeisen in irgendeiner Weise geht bzw. sogar ein bisschen mit gebremsten Skiern vergleichbar ist). Er meint, dass sei zu gefährlich, und so musste ich Schritt für Schritt, langsam, bergab gehn.
Die beiden Briten sind übrigens immer langsamer geworden und lagen gegen Ende des Gletschers wohl 30-60min zurück. Das ist nicht besonders gut. Und zwar einerseits für sie (die Dame des Paares hatte Magenprobleme, konnte nichts essen und war energielos), weil sie die Steine, die sich im Sonnenlicht locker ab tauen und von kleinsten Windstößen gelöst werden abkriegen können. Wegen diesem Effekt (und dem dann härteren Schnee) geht man in der Nacht hoch. Und andererseits ists für uns schlecht, da wir weiter unten die Steine abbekommen, die hoben unbeabsichtigterweise losgetreten werden - und das sind viele! Und so ist es tatsächlich dazugekommen, dass mein Guide mit mir an einer Seite des Hangs gewartet hat, dann irgendwann sagte, dass wir jetzt schnell den Hang passieren, um dann auf der anderen Seite wieder den ein oder anderen Steinschlag abzuwarten. Das war nicht nur nerv- sondern auch insb. kräftezehrend. Schnell und konzentriert laufen, dann warten, dann aufeinmal wieder schnell und konzentriert laufen... schwierig. Aber auch das ging vorbei, und als wir dann die Steigeisen ablegen konnten (ca. bei 5200m Höhe) ging es denn auch recht schnell und problemlos noch bis zur Hütte. Theoretisch. Allerdings hatten mir die 7,5h Aufstieg und bis dahin ca. 3h Abstieg mächtig zugesetzt und damit schlussendlich ein konzentriertes Gehen unmöglich gemacht. Hat in 2-3 leichten Stürzen ("auf den Hintern fallen") resultiert, aber die Freude über das tatsächlich näherkommende Refugio überwog jedem Schmerz. Nach einem Kokatee dort, habe ich meine Sachen zusammengesucht, kurz meine aufgescheuerten Schienbeine bestaunt und dann alles noch zum anderen Refugio, wo auch das Auto steht, getragen. Die Briten sind übrigens über eine Stunde später eingetroffen, das habe ich dann gar nicht mehr mitbekommen, weil mein Guide wohl Eile hatte, wieder loszufahren (verständlicherweise).





 

Im Tourbüro gabs dann noch ein Zertifikat, dass das nicht nur ein umgegegrabener Acker im Winter war, wo ich das Gipfelfoto geschossen habe; dann habe ich noch die beste italienisch Lasagne (nagut, das wohl nicht, aber ich hatte selten so viel Hunger!) gegessen und mich in den Bus von Riobamba nach Cuenca gesetzt. Und in Cuenca habe ich mir das erstbeste Hostal gesucht um möglichst viel zu schlafen, gab einiges nachzuholen. Leider gab es kaum/keine Zeit, alte Freunde wiederzutreffen, ich war verabredet am Nachmittag nach Vilcabamba (Südecuador) zu fahren - perfekt für Erholung nach dem ganzen Stress und auch perfekt um danach gleich nach Peru weiterzureisen.

Es ist eine Erfahrung, die "vale la pena" / "worth the pain" / "den Schmerz wert" war. Aber trotzdem bzw. genau deswegen glaube ich, ich werde jetzt (z.B. in Peru) nicht nocheinmal solche großen Sprünge machen. Ich bin erstmal (temporär) von der Gipfelsucht geheilt :-)

2 Kommentare:

  1. Alle Achtung, du scheinst ja keine halben Sachen zu machen ^^ Ich bin jedenfalls froh dass du heil wieder unten angekommen bist... Wann solls denn eigentlich wieder Richtung Heimat gehen?

    Dietz

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  2. Hey Dietz! War jetzt 4 Tage Zelten im Hochland im peruanischen Winter, war auch eine lustige Erfahrung ;)
    Aber, jetzt ist fast alles vorbei und am Samstag lande ich wieder in Deutschland. Stell doch schonmal was kalt :)

    Lieber Gruß aus Huaraz (nördl. von Lima)
    Christoph

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