Also Bogota ist riesig. Ich denke, es ist mit 8 Mio Einwohner die größte Stadt, die ich je besucht habe. Und Bogota ist schön, wenn man von einigen (doch recht vielen) ärmlichen und dreckigen Ecken absieht. Ich will jetzt hier keine Reiseführerbilder online stellen. Erstens weil die in jedem Reiseführer zu sehen sind und zweitens weil ich die richtig touristischen Orte noch gar nicht gesehen habe (außer das vielgelobte und sehr eindrucksvolle "Museo del Oro" mit der wohl weltweit größten Goldkunstausstellung).
Es geht mir viel mehr um das "wie fühlt es sich an". Und da muss ich sagen, ja, ziemlich gut. Mag natürlich daran liegen, dass ich hier in einer äußerst freundlichen Gastfamilie wohne, wohingegen ich im zu vergleichenden Quito ja in besagtem fadenscheinigen Motel (nur 2 Tage) nächtigte und mir die mehr oder minder einzige gastfreundschaftliche Erfahrung durch einen Venezolaner zu teil wurde. Aber ich bin in Bogota auch (noch) nicht Opfer versuchten Diebstahls geworden. Ich habe tatsächlich das Gefühl, dass ich mich in Kolumbien noch ein Stückchen wohler fühle. Die Gastfreundschaft hier ist sogar fast schon etwas zu groß - schließlich komme ich kaum hinterher die Einladungen (Essen, Trinken, ...) zu erwiedern. Aber der Vergleich hinkt aktuell noch. Wie gesagt.
Kolumbianer sind sehr fröhliche Leute. Sie lachen oft, machen viele Scherze und fragen ständig wie es einem geht. Wird in der Regel übrigens nur mit einem "Wie gehts dir?" beantwortet. Was interessiert den Handyminutenverkäufer auch, wie es mir geht??? Aber tatsächlich empfinde ich das jetzt nicht als gewollte (und nicht gekonnte) Freundlichkeit, sondern einfach als zur Kultur zugehörig.
Generell lateinamerikanisch (falls man das extrapulieren darf) ist vermutlich dass man Frauen immer mit Wangenküsschen begrüßt, sonst fällt man gleich negativ auf. Muss man sich als Deutscher erstmal dran gewöhnen ;) Wir sind hier übrigens neben Pünktlichkeit, harter Arbeit und v.a. Disziplin quasi der Inbegriff von persönlicher Distanz und Reserviertheit übrigens. Aber das ist durchaus nicht komplett negativ gemeint. Eigentlich schauen (jedenfalls die Kolumbianer) schon recht neidvoll über den Atlantik in Aspekten der Disziplin und auch des gegenseitigen Respekts (z.B. beim Autofahren). Ach, Autofahren. Bis vor kurzem musste hier (wie auch in Ecuador) man für den Führerschein nur zahlen, jetzt immerhin auch grundlegende Fahrkenntnisse vorweisen.
Nachdenklich werden Kolumbianer allerdings wenn man Sie auf Bürgerkrieg (bzw. Guerillakrieg, eigentlich könnte Kolumbien sogar der Erfinder des Bürgerkriegs sein, oder?) und Drogenproduktion anspricht. Wenn man ein einigermaßen gutes Verhältnis aufgebaut hat, erklären sie einem ihre Sichtweise aber gerne und ausführlich. So hat sich die Kriminalität der Guerilla (wenn ich es nicht verwechsle ist das das politisch linke Ende) und der Paramilitärs (entsprechend das rechte Ende) um über 40% reduziert in den letzten 10 Jahren. Das ist anscheinend der harten antiterroristischen Linie ("Demobilisation") des aktuellen Präsidenten Uribe zu verdanken. Was hier klappt, scheint in Mexiko nicht zu funktionieren, aber das ist wohl eine andere Geschichte ...
Was die Produktion von Kokain angeht ist die Lage schwierig. Es gibt offiziell keine Kartelle mehr, doch eindeutig noch einige, anscheinend dezentralisierte, Banden, die einige Bauern dazu zwingen Kokapflanzen anzubauen. Andere Bauern hingegen tun dies aufgrund des natürlich höheren Ertrags auch freiwillig. Und der Anbau an sich ja auch nicht schlimm, Kokablätter sind ja nicht verboten und wohl auch nicht gefährlich. Sie werden oft auch (völlig legal) verkauft, z.B. als Tee. In einigen Labors allerdings natürlich chemisch zum weitaus ertragreicheren Kokain weiterverarbeitet. Der größte Teil wird tatsächlich exportiert - der Konsum ist schon fast verpönt, da Kolumbianer mittlerweile gut unterrichtet sind, welche Folgen dies haben kann. Damit meine ich nicht unbedingt nur die Konsequenzen auf die persönliche Psyche sondern insbesondere auch die Finanzierung gefährlicher militärischer Gruppen (z.B. FARC) und auch die Förderung der (doch sich zum Thema entwickelnden) Umweltverschmutzung. Für die Herstellung von Kokain werden viele toxische Chemikalien verwendet, deren Abfälle die einfach in Flüsse geleitet werden. Von der Abholzung des Regenwaldes ganz zu schweigen.
Die Angst vor Kriminalität ist durchaus noch stark vorhanden. Dies äußert sich z.B. in hoher Präsenz von Militär und Polizei, insb. an öffentlichen Plätzen. Und findet ihren Zenith in Türstehern von vielen (mittleren und gehobenen) Wohnhäusern! Zum Glück kennt mich der Hauswart der Gastfamilie mittlerweile, und lässt mich auch nachts in zweifelhaftem Zustand "con mucho gusto" herein ;)
Private Sicherheitsfirmen sind vermutlich ein Riesengewerbe hier. Wenn ich mich richtig erinnere gibt es aber sogar Hilfszahlungen (rd. 500 Mio USD pro Jahr) von den USA an Kolumbien, um damit den Kampf gegen Kriminalität und Drogenproduktion zu finanzieren.
Das Verkehrssystem ist (wie vermutlich in vielen Lateinamerikanischen Megacities) völlig überlastet. Aufgrund eines (fast) vollständig fehlenden Öffentlichen Verkehrssystems wurde ungefähr im Jahr 2000 ein System namens "Transmilenio" eingeweiht. Es funktioniert ähnlich wie Straßenbahnen, nur mit Bussen. Und zwar mit Stationen, bei denen man vorher einen Festbetrag (ca. 1 USD) zahlt, um sie betreten zu dürfen. Diese Busse halten also nicht auf Zuruf (wie sonst) und fahren fest abesteckte Routen (und nur bestimmte Haltestellen) an. So dass es auf ca. 5 Routen ungefähr 50 versch. Linien nahezu gleicher Routen gibt, die sich nur in der Kombination der Haltestellen unterscheiden. Und oft sind zwei Spuren nur für Transmileniobusse reserviert. Genauer gesagt nicht nur reserviert sondern durch einen steinernen Absatz tatsächlich getrennt. Und trotz (anhaltende und nicht anhaltende) gefühlter 5 passierender Busse pro Minute pro Richtung sind die Busse so wahnsinnig voll stets und ständig, dass man öfter mal einfach noch einen weiteren Bus der gleichen Linie abwarten muss, eh man überhaupt einen Stehplatz kriegt. Ich frage mich, wie die Leute alle vor der Einführung dieses Systems es geschafft haben, in Bogota zu pendeln... (auch wenn es auch jetzt noch eher schlecht als recht funktioniert). Es gibt nämlich immernoch viel zu viele Autos auf den Straßen von Bogota, so dass es von der Endziffer auf dem Nummernschild abhängt ob du tatsächlich fahren darfst oder nicht. Daher haben viele mittlere und gehobene Familien auch 2-3 Autos. Ist das nicht etwas kontraproduktiv?!?
PS: Damit ich wenigstens ein Bild in diesem Beitrag habe, hier die kolumbianische Interpretation des Akronyms "BBC"
(=Bogota Beer Company).
PPS: Jetzt habe ich sogar noch ein Bild gefunden, was zum Thema passt. Seit Ostern hat es in Bogota extrem viel geregnet (So viel hatte es wohl noch nie in so kurzer Zeit in den letzten 100 Jahren geregnet!). Gab natürlich viele Erdrutsche. Und der Tennis- und Golfclub (ja, richtig gelesen!) meiner Gasteltern ist überschwemmt:
na und wir konnten mal eine deiner Eis-begleiterinnen erspähen :)
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